wsw.info: Nordpark
Das Damwildgehege im Nordpark ist ein beliebtes Ausflugsziel für Familien. Was den Umgang mit den Tieren betrifft, können viele Besucher noch etwas lernen.
Schaut der Damhirsch mit dem stattlichen Geweih erwartungsvoll? Erhobenen Hauptes schreitet das Tier an den Zaun. Der trennt sein Revier von dem etwa einen Kilometer langen Spazierweg um das Wildgehege im Nordpark. Womöglich hatte der Braune tatsächlich eine Ahnung. Im Gegenzug für seine Annäherung an die Familie auf der anderen Seite des Gitters erhält er ein trockenes Brötchen von einem kleinen Mädchen. Dessen Augen strahlen beim Füttern des Hirsches.
33,5 Hektar
Fläche hat der Nordpark insgesamt
Im Gesicht von Klaus Schlüter, der als Wildhüter und lizenzierter Jäger für die Tiere und ihr Gehege verantwortlich ist, zeichnen sich ganz andere Empfindungen ab. Er sieht es gar nicht gern, wenn das Damwild gefüttert wird, wie er schildert. Gerade Brot schade den Tieren, was die wenigsten Besucher wüssten und einige wenige ignorierten. „Das Getreide gärt in ihren Mägen weiter. Es dehnt sich aus. Das kann dazu führen, dass sie bei vollem Magen verhungern.“ Zwar könne er viele Spaziergänger erfolgreich aufklären, doch kämen immer wieder neue, die dem Damwild vermeintlich Gutes wollten. Gerade in Coronazeiten, in denen noch mehr Ausflügler in den Nordpark strömen. „Viele regen an, dass wir Schilder aufstellen. Aber da bräuchten wir schon alle paar Meter eins“, sagt Schlüter, der Aufklärung Verboten vorzieht.
Bis vor wenigen Monaten gab es einen Futterautomaten. Wegen Vandalismus ließ Schlüter ihn abbauen. Und belässt es vorerst dabei. „Die Tiere haben ausreichend zu fressen.“ Gerade 2020 habe es einen guten Ertrag vor allem an Bucheckern und Eicheln gegeben. Zugefüttert werde nur bei Schnee, wenn Gras und herabgefallene Baumfrüchte überfroren seien. Ohnehin sei ein Teil des Damwilds überfettet. In der Folge würden die Kühe nicht mehr trächtig, sagt Schlüter.
1896
kaufte der Nordstädter Bürgerverein (NBV) das erste Grundstück für den Nordpark. Heute ist er einer der größten Parks im Tal. Träger ist die Stadt Wuppertal.
Eine Art Rülpsen erklingt aus dem Gehege: der Nachbrunft-Ruf eines Hirsches. An diesem Januartag liegen die Temperaturen um den Gefrierpunkt. „Die Kälte stimuliert“, weiß der Jäger, der den Bestand im Gehege reguliert. „Um Inzucht zu verhindern, kommt alle vier Jahre mindestens ein neuer Hirsch aus einer genetisch anderen Zucht dazu.“ Derzeit leben bei den 13 Weibchen zwei Kapitale – älter als sechs Jahre – und ein Spießer. So heißen einjährige Hirsche. „Ende 2020 bekamen wir sechs neue Tiere. Eine Spende“, sagt Schlüter.
Dass immer mehr Spaziergänger einen Blick in das 1955 vom Nordstädter Bürgerverein angelegte und bis heute ehrenamtlich gepflegte Gehege werfen, kümmert die Tiere kaum. Sie seien keine Wildtiere mehr, weil ihnen Menschen mittlerweile vertraut seien, sagt Schlüter. Dennoch halte man sie so wild wie möglich. Der Jäger legt bei seinen Kontrollrunden Wert auf eine gesunde Distanz zu ihnen. Dabei fiel ihm vor einiger Zeit ein neuer Bewohner auf: ein Fuchs. „Einmal habe ich ihn gesehen, im Beisein unseres Tierarztes“, sagt er. „Sonst hätte mir das niemand geglaubt.“ An einem Hügel mitten im Gehege sehe man den „befahrenen“, also bewohnten, Fuchsbau – der Laie erkennt allenfalls ein Loch im Boden. Insbesondere jungen Menschen bringt Schlüter mit Leidenschaft das Waldleben näher.
Bis vor einiger Zeit begab er sich regelmäßig mit Kindergartengruppen und Schulklassen auf die Spuren der heimischen Wildtiere, zeigte ihnen neben dem Damwild auch selbst angebrachte Nistkästen, Insektenhotels und das Biotop am unteren Ende des Geheges. Sein Wunsch wäre, das irgendwann wieder aufzunehmen. „Das schönste Geschenk sind die leuchtenden Kinderaugen nach so einem Tag.“ Und das ganz ohne alte Brötchen für den Hirsch.
Text: Tonia Sorrentino
Fotos: Stefanie vom Stein