wsw.info: Sozialdienst katholischer Frauen
Sehnsucht nach Heimat
Die syrische Journalistin Sawsan Ibrahim und die Deutsche Uta Kroder fragten neu zugezogene und alteingesessene Wuppertaler nach Plätzen, die sie vermissen. Daraus entstand eine Ausstellung.
Eine Küche mit blauen Fronten. Knorrige alte Olivenbäume. Ein Bett mit Plüschtieren. Orte, von denen die Menschen noch viele Jahre träumen. An denen sie glücklich waren. Oft auch Orte einer unbeschwerten Kindheit. Das Team des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) hat jetzt solche „verlorenen Orte“ gesammelt – von Menschen, die vor Krieg oder wirtschaftlicher Not aus ihrer Heimat fliehen und dabei ihre lieb gewonnenen Plätze zurücklassen mussten. Dabei sprachen die Frauen ebenso mit frisch nach Deutschland Geflüchteten wie mit alten Menschen, die während des Zweiten Weltkriegs ihre Häuser im Osten des damaligen Deutschlands verlassen mussten.
„Wir wollen das Selbstbewusstsein der Frauen stärken, sie sollen ihre Fähigkeiten entdecken.“
Sabine Münch
„Vielen kamen beim Erzählen die Tränen“, berichtet Uta Kroder, die das Projekt leitet. Gemeinsam mit der syrischen Journalistin Sawsan Ibrahim befragte sie die Menschen. Etliche davon gehören zum Team des multikulturellen Blogs Wupperleben. Auf der gleichnamigen Homepage berichten Geflüchtete und andere Neuwuppertaler von ihren Erfahrungen in Deutschland. Sie erklären deutsche Bräuche und erzählen von ihrer Sorge um ihr Heimatland. In verschiedenen Quiz können die Nutzer testen, wie gut sie Deutschland kennen – etwa mit der Frage, ob Deutsche zur Bratwurst lieber Senf oder Sojasauce essen. Vor Corona traf sich das Redaktionsteam regelmäßig in den Räumen des SkF in Langerfeld, dann lief die Organisation übers Internet.
Probleme, Sorgen, Freude
„Wir wollen das Selbstbewusstsein der Frauen stärken, sie sollen ihre Fähigkeiten entdecken“, betont Sabine Münch, Leiterin der Gemeinwesenarbeit des SkF. Sie möchte die Frauen aus ihren Wohnungen locken, möchte die Menschen im Stadtteil vernetzen, damit sich alle hier wohlfühlen. „Durch die Gespräche entsteht ein Verständnis füreinander, die Emotionen machen eine echte Begegnung möglich“, freut sich ihre Kollegin Dorothee van den Borre. Frauen aus Syrien, der Türkei, Afrika oder Südamerika merkten bei den Projekten, dass sie ähnliche Probleme, Sorgen und Freuden haben. Und es entstanden neue Freundschaften.
Ob jung oder alt: Alle Menschen konnten in den Gesprächen sofort einen Platz nennen, den sie wirklich vermissen. Manche verfassten sogar lyrische Texte dazu: „Es war nicht zu erwarten, dass ein Tag kommen würde, an dem man keine Spuren großer Familien mehr in diesen Gebieten sehen würde – außer leeren Häusern, die von der Sehnsucht ihrer Bewohner erfüllt waren“, fängt etwa das Gedicht eines 51-jährigen Syrers an. Oder Rasha, der erzählt, wie sich der Blick von ihrem Balkon in Syrien veränderte: Statt fröhlicher Menschen beim Shopping sah sie nur noch „Hoffnungslose, die nur für notwendige Dinge hinaus auf die Straße gingen“, weil es oft Schießereien gab.
Ausstellung in der Sparkasse
Fotos dazu waren nicht immer einfach zu beschaffen. Manche hatten sie auf ihren Smartphones aus der Heimat mitgebracht oder konnten zurückgebliebene Verwandte bitten, eines zu machen. In anderen Fällen mussten Uta Kroder und Sawsan Ibrahim auf passende Symbolfotos zurückgreifen. Fotos und Texte sind im Internet zu sehen und – sobald es möglich ist – auch im Stadtteil. Im Juli und August werden die Arbeiten in der Sparkasse am Werth ausgestellt. Dort bieten die Bilder viele Anknüpfungspunkte für Betrachter, um ihrerseits mit neuen Menschen ins Gespräch zu kommen. Und im nächsten Projekt soll es dann um schöne Orte in Wuppertal gehen.
Text: Tanja Heil
Foto: Stefanie vom Stein