wsw.info: Jasmin Schaudinn
Mit ihrer Edda hat Jasmin Schaudinn ein Pendant zu Lotta aus der Krachmacherstraße geschaffen. Das Talent zum Geschichtenerzählen entdeckte die Wuppertaler Buchautorin schon früh. Ihren „Draht zu Kindern“ hat sie sich bis heute erhalten.
Es ist nicht ganz die Villa Kunterbunt. Und doch: Farben spielen eine große Rolle im Leben der Familie Schaudinn. Eine offensichtlich selbst bemalte Zauntür trennt den Vorgarten vom hinteren Teil und gibt einen kleinen Vorgeschmack auf das, was den Besucher im Innern erwartet. Direkt beim Betreten des Hauses fällt die farbenfrohe Inneneinrichtung ins Auge. Außerdem dokumentieren zahlreichen Fotos, die überall an den Wänden hängen, gemeinsame Familienerlebnisse. Kinderbuchautorin Jasmin Schaudinn und ihr Ehemann sind stolze Eltern zweier Jungs, beide 15 Jahre alt, und eines Mädchens von 10 Jahren. Zum Familienglück gehört außerdem ein ausgesprochen zutraulicher Hund namens Eddie, der uns beim Betreten schwanzwedelnd empfängt.
Schaudinn ist mit Leib und Seele Kinderbuchautorin und strahlt eine geradezu ansteckende Lebensfreude aus. Schreiben, sagt sie, sei schon immer ein Traum gewesen. Einer, der nun Realität geworden ist. Bereits in ihrer Kindheit hat sie Geschichten geschrieben. Kaum verwunderlich ist deshalb, dass die große Astrid Lindgren zu ihren persönlichen Heldinnen zählt. „Besonders die Bullerbü-Geschichten habe ich als Kind geliebt“, erzählt sie.
Einen persönlichen Brief der berühmten Autorin hat Jasmin Schaudinn eingerahmt und an einem Ehrenplatz im Haus aufgehängt. Es ist die Antwort auf eine „Beschwerde“, die Schaudinn 1988 – damals selbst noch ein Kind – an Astrid Lindgren gerichtet hatte. „Ich habe mich über die US-amerikanische Verfilmung von Pippi Langstrumpf geärgert.“ Der Grund: Die Hauptfigur sei völlig falsch dargestellt worden. Zu unverschämt und zu überdreht. Außerdem hatte die junge Jasmin sich daran gestört, dass sowohl Pippis Pferd, ein Apfelschimmel namens Kleiner Onkel, als auch ihr Äffchen, Herr Nilsson, im Film sprechen konnten.
Ihr im Februar 2020 im Oetinger Verlag erschienenes Buch „Edda aus dem Moospfad“, mit zahlreichen Bildern der Illustratorin Iris Hardt, war der Auftakt einer eigenen Kinderbuchreihe mit einer eigenen Protagonistin, die Schaudinn ganz bewusst im Hier und Jetzt platziert hat. Der zweite Teil mit dem Titel "Edda aus dem Moospfad 2: Geburtstag in geheimer Mission" erschien im Juli 2020. Die sechsjährige Edda erlebt immer wieder alltägliche Abenteuer in der Nachbarschaft. Im zuletzt erschienen Teil begleitet man Edda beispielweise in den Wochen vor ihrem siebten Geburtstag. Und die Leser fiebern mit, wenn sie mit ihrem Freund Matti den Sperrmüll durchsucht oder wenn sie mit ihrer Mutter streitet, die gerne ein Flüchtlingsmädchen aus der Nachbarschaft zu Eddas Geburtstag einladen möchte.
„Mir ist es wichtig, Kinder so zu zeigen, wie sie wirklich sind“, sagt Jasmin Schaudinn. Dementsprechend verfolgt man die Geschichten auch aus der Ich-Perspektive der kleinen Edda, die den Leser mit all ihren kindlichen Gedanken, Ängsten und anderen Emotionen in ihre ganz eigene Welt entführt. Das ist authentisch und für jeden nachvollziehbar. Was bedeutet, dass Edda auch mal zickig ist oder traurig. Alles soll möglichst realitätsnah sein – Probleme und Streit inbegriffen. „Mir war das wichtig. Mit Geschichten, in denen alles reibungslos läuft, kann ich nichts anfangen“, sagt Schaudinn.
Wenn die gebürtige Wuppertalerin gerade nicht in ihrer gemütlichen Schreibecke am Fenster an neuen Geschichten feilt, dann gibt sie gerne Lesungen in Kindergärten oder anderen Einrichtungen. „Ich habe einfach einen guten Draht zu Kindern und nehme sie so, wie sie sind“, sagt Schaudinn, die lange als Erzieherin gearbeitet hat. Die ersten, die ihre neuen Geschichten hören, sind aber immer noch die eigenen Kinder, „meine Jungs sind trotz ihres Alters immer noch gespannt auf das, was ich geschrieben habe“, so die Autorin. Etwaige Kritik ihrer Sprösslinge nimmt sie dankend an.
Einen erzieherischen Auftrag verfolgt Schaudinn mit ihren Geschichten übrigens nicht, auch wenn eine bestimmte Haltung an manchen Stellen natürlich durchblickt. So geht es in einer ihrer Edda-Geschichten zum Beispiel um gleichgeschlechtliche Ehen, was ihr prompt eine Diskussion mit empörten Eltern einhandelte. Die Autorin lässt sich von solchen Konfrontationen aber nicht unterkriegen, schließlich ist auch Astrid Lindgren damals mit ihrer Art zu schreiben angeeckt: „Ich möchte in erster Linie unterhalten – und zwar die Kinder.“ Dabei gehe es ihr auch darum, zu zeigen, dass kindliche Emotionen, Auseinandersetzungen und manchmal auch Streit vollkommen normal sind. Ihre klare Botschaft an die Kinder: „Du darfst das!“
Beim Schreiben vertieft sich Jasmin Schaudinn grundsätzlich voll und ganz in die Gedankenwelt ihrer Geschichten. An einer quer durch den Raum gespannten Wäscheleine hängt sie zur Einstimmung alles auf, was ihr dabei helfen könnte. Aktuell hängen dort unter anderem Farnreste, Fotos von Insekten und ausgeschnittene Artikel über Flora und Fauna. Ein kleiner Hinweis auf ihr neuestes Projekt, über das die Autorin aber jetzt noch nicht allzu viel verraten will.
Eine Sache wünscht sich die Autorin noch für die Zukunft: dass ihre Geschichten einmal als Hörbücher umgesetzt werden. „Das würde ich total gerne selbst machen“, sagt sie und strahlt dabei eine fast kindliche Vorfreude aus.
Text: Marc Freudenhammer
Fotos: Stefanie vom Stein