wsw.info: Treppen-Reihe
Freiluftgalerie
Der Treppenzug von der Berliner Straße hinauf bis zum Krühbusch galt lange als Angstraum. 2017 wurde er aufwendig saniert und unter Einbeziehung der Anwohner umgestaltet.
Ein Schneckenhaus, ein auf der Seite liegender Notenschlüssel, ein rückenschwimmendes Seepferdchen: Die runden Kiesel, die an steinige Strandabschnitte erinnern, wecken verschiedene Assoziationen. Dynamisch schlängeln sie sich um ein flaches Element, dessen bordeauxrotes Inneres in unzähligen Körnchen das Sonnenlicht reflektiert. Die Kieselkringel selbst werden von weiteren Steinen eingerahmt, alle sorgfältig auf einem autoradgroßen Steinteller arrangiert. Die Kunstreihe an der Treppe zwischen den Straßen Krühbusch und Normannenstraße setzt sich weiter fort, auch die gegenüberliegende Wand schmücken Mosaike. Die sind rechteckig, ebenso eindrucksvoll und schillern in grau, weiß, orange, blau, gelb. Eine der steinernen Leinwände wirkt wegen der unterschiedlichen Größen und Formen der eingesetzten Steine wie ein Brettspiel. Wer die Treppenstufen nimmt, fühlt sich wie in einer Freiluftgalerie.
74 Stufen
führen von der Berliner Straße bis zum Krühbusch. Der Zug besteht aus drei Treppen: Langobardentreppe (29 Stufen), Treppe Langobardenstraße/Normannenstraße (16 Stufen, Baujahr 1900) und Treppe Normannenstraße/Krühbusch (29 Stufen, Baujahr 1930).
Aus der angrenzenden Kirche St. Johann Baptist dringen Gesang und Orgelklänge, der Treppenabgang ist breit, die roten Backsteinmauern rechts und links wirken liebevoll gepflegt, wenn auch hier und dort Spuren entfernter Graffiti erkennbar sind. Links rascheln Buchenkronen, rechts Linden, ihre Früchte und gelbes Herbstlaub bedecken den Asphalt. Ein friedliches Szenario. Doch der Ort kennt auch andere Zeiten.
Umfassende Sanierung
Bis vor etwa drei Jahren galt dieser Abschnitt als Angstraum. Ebenso wie die beiden nachfolgenden Treppen von der Normannen- zur Langobardenstraße und von dort bis hinunter zur Berliner Straße gegenüber vom Berliner Platz. Dann wurde eine umfassende Sanierung des Treppenzuges beschlossen und im Rahmen des Projekts „Soziale Stadt Oberbarmen-Wichlinghausen“ umgesetzt. Was kaputt und verdreckt war, wurde saniert, ausgetauscht, gereinigt, erneuert – und künstlerisch verziert. Dazu gab es eine Ausschreibung der Stadt Wuppertal, die der Dortmunder Künstler Robert Kaller für sich entschied.
193.000 Euro
hat die Gesamtsanierung der Treppen ca. gekostet. Das Projekt dauerte von Sommer 2017 bis Sommer 2018.
Gestaltung mit den Anwohnern
Kaller involvierte Anwohner, Schüler und Interessierte aus dem Gründerzeit-Quartier in den Prozess. Viele Ornamente erinnern an altertümliche Zierden, andere sind modern geprägt, manchmal abstrakt, manchmal lebensnah oder romantisiert. Die Stufen der nächsten Treppe beispielsweise sind an Ober- und Vorderseite mit vergleichsweise schlichten, farblich gruppierten Mosaiken dekoriert.
Die Wände sind teils großflächig und mit interessanten Kontrasten ausgestaltet. Es gibt eine Wild-Szene, eine Seerose, einen Wellensurfer auf seinem Brett. Kleine Episoden, die zu größeren Geschichten gehören. Das gleiche gilt für die Langobardentreppe, die zwar verlebter ist, aber dafür noch einmal alle künstlerischen Elemente an ihren Wänden und Stufen vereint.
Die meisten Menschen, die an diesem Sonntagmittag die Stufen hinauf- und hinablaufen, halten den Blick gesenkt, ihre Schritte sind oft hastig. Für die Taube, die zwischen den steilen Fassaden auftaucht, gilt das nicht. Bedacht setzt sie einen Fuß vor den anderen und stakst zielstrebig auf die Stufenmosaike zu. Dort angekommen hält sie inne, bevor sie jeden Tritt einzeln mit einem Hüpfer und kurzer Anlaufpause erklimmt. So schreitet sie weiter, bis sie ganz oben angekommen ist.
Text: Tonia Sorrentino