Freizeit: Verein „Rettet das Huhn“

Pickend ins Glück

Bei der Offset Company in Barmen haben acht Hühner und ein Hahn ein neues Zuhause gefunden. Sie wurden aus einem Legebetrieb gerettet.

Mitten in Barmen kräht ein Hahn. Er heißt Sir Pick-a-lot und ist Chef auf dem Hühnerhof der Offset Company am Kleinen Werth. Gemeinsam mit acht Hühnern bewohnt er einen Grünstreifen auf dem Betriebsgelände der Druckerei. Noch vor wenigen Monaten lebten Sir Pick-a-lot und die acht Hennen in einem industriellen Legebetrieb zusammengepfercht mit tausenden Artgenossen. Normalerweise landen die Legehennen dort auf der Schlachtbank, wenn sie nach etwa einem Jahr weniger Eier legen. Dieses Schicksal blieb den Hühnern der Offset Company erspart. Zu verdanken haben sie das dem Verein „Rettet das Huhn“ und den engagierten Mitarbeitern des Wuppertaler Unternehmens.

Rettung
Der Verein „Rettet das Huhn“ vermittelt Hühner aus Legebetrieben an verantwortungsvolle Tierhalter. Mehr Infos dazu gibt es auf der Website des Vereins: www.rettet-das-huhn.de.

Doch der Reihe nach. Alles begann mit einem Unkrautproblem. Unerwünschte Wildkräuter wucherten immer wieder Blumen und Gemüsepflanzen auf dem Gelände zu. Die Lösung: Hühner. Das Geflügel sollte einfach das Unkraut wegpicken. „Zur Grünpflege und dem Bau eines Hühnergeheges haben wir extra über das Jobcenter einen langzeitarbeitslosen Gärtner eingestellt“, berichtet Geschäftsführerin Ute Brüne. Der neue Mitarbeiter machte sich auch gleich an die Arbeit und errichtete eine großzügige Freilauffläche. Außerdem baute er eine ehemalige Gasstation zum Hühnerstall um. Fehlten nur noch die Hühner. „Um die Tiere auch am Wochenende zu versorgen, hatten wir parallel in der Nachbarschaft Hühnerpaten gesucht und auch gefunden“, erzählt Ute Brüne weiter. Von einer Patin kam dann auch die Idee, die Hühner nicht beim Züchter zu kaufen, sondern Tiere aus einem Legebetrieb zu übernehmen. Also nahm die Geschäftsführerin Kontakt zum Verein „Rettet das Huhn“ auf.

Ute Brüne, Geschäftsführerin Offset Company

Schöne Hühner
Als sie sich genauer über die Legehennen informierte, war sie zunächst schockiert. Die Tiere sind in einem desolaten Zustand: gerupft und mit kahlen Stellen, die eigentlich roten Kämme sind weiß. „Ich wollte eigentlich schöne Hühner haben“, gesteht die Geschäftsführerin. Dennoch holte sie die Tiere im August ab – und hat es nicht bereut. „Es ist toll zu sehen, wie die Tiere sich entwickelt haben, vor allem der Hahn ist wunderschön“, sagt Ute Brüne jetzt. Und Eier legen die Hennen auch noch. Nicht mehr so viele wie im Legebetrieb, aber fünf bis sechs pro Tag sind es immer noch.

Clever
Auch wenn ihr Gehirn nur die Größe einer Walnuss hat, sind Hühner nicht dumm. Sie verfügen über ein ausgeprägtes Sozialverhalten, differenzierte Kommunikationsfähigkeiten und Empathie. Hühner sind neugierig und schlau. So haben Forscher herausgefunden, dass ein Hahn zwar die Weibchen seiner Gruppe vor einem nahenden Habicht warnt, nicht aber einen männlichen Rivalen.

Die Hühnerhaltung bei der Offset Company ist ein Gemeinschaftsprojekt. Nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter helfen mit, sondern auch die Hühnerpaten, die teilweise sogar aus anderen Stadteilen extra am Wochenende zum Kleinen Werth kommen. Die Wuppertaler Tafel stellt Salatblätter bereit, die in der Küche übrigbleiben, und viele Familien aus der Nachbarschaft kommen vorbei zum „Hühner-Gucken“.

Hahn Sir Pick-a-lot auf dem Grundstück der Druckerei Offset Company

Facts
Hühner sind die am weitesten verbreiteten Nutztiere. Etwa 20 Milliarden Hühner gibt es weltweit. Urahn des Haushuhns ist das Bankivahuhn, ein südostasiatisches Wildhuhn. Es gibt zwar in Europa rund 180 verschiedene Haushuhnrassen, in der industriellen Landwirtschaft werden aber ausschließlich sogenannte Hybridhühner genutzt. Sie legen besonders viele Eier bzw. setzen – als Masthuhn – besonders schnell Fleisch an. Für die Zucht sind sie nicht geeignet. Masthühner sind nach 30 Tagen schlachtreif. Legehennen haben nach einem bis maximal zwei Jahren ausgedient und werden getötet.

Selbstverteidigung
Dass es den Hühnern hier richtig gutgeht, merkt man an ihrem Verhalten. Sie picken, scharren, baden im Sand und erkunden ihr Gehege. Und Sir Pick-a-lot passt gut auf alle auf. „Einmal hatte sich eine Katze ins Hühnergehege verirrt“, erzählt Ute Brüne, „sie wusste kaum wie ihr geschah, als der Hahn sich aufplusterte und den Eindringling laut schimpfend vertrieb.“ Ein richtiger Hahn kann eben nicht nur krähen.

Text: Rainer Friedrich