Verkehr: Schwebebahn Probefahrten
Digitales Schweben
Das Wuppertaler Wahrzeichen ist endlich wieder im Einsatz. Mit der Einführung einer datenbasierten Betriebssteuerung wollen die WSW die Modernisierung der Schwebebahn abschließen.
Seit August fährt sie wieder. Gott sei Dank. Aber auch in der Betriebspause, nach dem Stromschienenabriss im November, war einiges los auf der Schwebebahnstrecke. Zeitweise fuhren die Gelenktriebwagen tagsüber in dichter Folge durchs Tal – allerdings noch ohne Fahrgäste. „Im Mai und Juni haben wir gemeinsam mit dem Hersteller Alstom das neue Betriebssystem erprobt“, erklärt Betriebsleiter Dr. Christian Kindinger. Mindestens 40000 Kilometer Erprobungsfahrten mussten die Bahnen dafür mit dem neuen Betriebssystem absolvieren. Das entspricht etwa 3000 Mal der Strecke von Vohwinkel nach Oberbarmen.
„Wir haben bei der Schwebebahn in kürzester Zeit die technische Entwicklung von fünf Jahrzehnten nachgeholt.“ Dr. Christian Kindinger
Während die Bahnen fuhren, beobachteten Kindinger und die Mitarbeiter der Betriebsleitzentrale in der Wartburgstraße aufmerksam die jeweils sechs Bildschirme an den beiden Schwebebahn-Arbeitsplätzen im Leitstand. Auch Experten von Alstom waren immer mit dabei. Wer noch den alten Schwebebahn-Leitstand am Döppersberg kennt, sieht den Unterschied sofort. „Wir haben bei der Schwebebahn in kürzester Zeit die technische Entwicklung von fünf Jahrzehnten nachgeholt“, macht der Betriebsleiter die Bedeutung der Erprobungsphase deutlich.
Alles unter Kontrolle
So werden die Informationen über die Streckenbelegung, welche früher von magnetischen Zugerfassungskomponenten geliefert wurden, künftig durch ein sogenanntes positives Zug-
erkennungssystem ermittelt. Die Information über die Fahrzeugpositionen auf der Strecke wird dabei per Funk aus den Fahrzeugen in das zen-
trale elektronische Stellwerk übertragen, das dann die Streckenbelegung insgesamt ermittelt und die zulässigen Fahraufträge für die einzelnen Züge erteilt.
Sicherheit
Das neue Betriebssystem basiert auf dem ETCS-Standard (European Train Control System), der auch zur Steuerung des Eisenbahnverkehrs auf den Strecken der transeuropäischen Netze eingesetzt wird. Selbst ICEs der Deutschen Bahn und der französische TGV fahren mit Versionen dieses Systems.
Die Fahrer sehen alle Informationen zur Fahrzeugführung auf ihrem Display im Cockpit. Die Signaleinrichtungen auf der Strecke sind dann überflüssig, lediglich in den Endhaltestellen werden in den Weichenbereichen noch ortsfeste Signal- einrichtungen für bestimmte Fahrbewegungen benötigt. Das neue Betriebssystem erlaubt natürlich auch händische Eingriffe in den Betriebsablauf. Das ist bei Betriebsstörungen und Notfällen, aber auch bei Sonderfahrten unumgänglich. Dafür sind automatisierte Prozesse programmiert.
Menschen am Steuer
Nicht alles hat sofort reibungslos geklappt. „Das hat aber auch keiner erwartet“, sagt Christian Kindinger. Es war ein intensiver Lernprozess, bei dem sich alle Mitarbeiter auf das neue System einstellen konnten. Für alle neu war, dass es nun eine datenbasierte Betriebssteuerung gibt. „Um etwa einen neuen Wagen in den Betrieb einzubringen, müssen wir jetzt die entsprechenden Daten ins System eingeben“, erklärt Christian Kindinger. Früher seien dies mechanische und elektronische Prozesse gewesen, vom Weichenstellen in der Wagenhalle bis zu den Signalstellungen und Streckenfreigaben für die Bahnen. Jetzt wird alles digital.
Kaiserwagen
Auch der Kaiserwagen bekommt die identische Zugsicherungstechnik. Diese wird mit der historischen Fahrzeugtechnik verknüpft. Bedient wird das historische Fahrzeug nach wie vor über einen Fahrschalter mit einem Handrad. Auch die Druckluftbremsen bleiben erhalten.
Dennoch sind es am Ende Menschen, die an den Schalthebeln beziehungsweise Touchscreens sitzen. Bei den Erprobungsfahrten ging es daher auch darum, die Handlungssicherheit der Beschäftigten im Umgang mit dem neuen Betriebssystem zu überprüfen. Das gilt für die Mitarbeiter in der Betriebsleitzentrale und für das Fahrpersonal gleichermaßen. „Ich denke, das ist uns gelungen“, sagt Christian Kindinger.
Zu denjenigen, die den Schwebebahnbetrieb in der Betriebsleitzentrale an den Bildschirmen überwachen, gehört Annette Haufe. Die WSW-Mitarbeiterin sieht das neue Betriebssystem sehr positiv: „Es ist eine große Arbeitserleichterung. Besonders wenn wir in den Zweiminutentakt kommen wollen, geht es nicht ohne die digitale Technik.“
Text: Rainer Friedrich