Verkehr: Radfinesse

Abgefahren

Roger Heise von Radfinesse hat ein Faible für ungewöhnliche Räder. Deshalb findet man bei ihm in erster Linie Exoten wie Falträder, Kompakträder oder auch Lastenräder. Für jeden Einsatzzweck das richtige Rad. Eines haben fast alle seiner „Drahtesel“ gemein – früher oder später müssen sie an die Steckdose.

Wie viele Fahrräder Roger Heise privat schon gefahren ist, das kann er gar nicht so genau sagen. Es dürften einige gewesen sein. Im Alltag hat er etwa vier bis fünf im Einsatz. Heise ist leidenschaftlicher Fahrrad-Enthusiast, er liebt die individuelle Bewegungsfreiheit auf zwei Rädern, das unmittelbare Wahrnehmen der Umgebung. Das unkomplizierte Ankommen. Heise ist Inhaber des Fahrradladens Radfinesse, der in diesem Jahr 25-jähriges Jubiläum feiert. Bei Radfinesse ging es von Anfang an um Räder, die man nicht alle Tage sieht. Gestartet ist er unter anderem mit so exotischen Konstruktionen wie Liegefahrrädern, Dreirädern, Tretrollern oder Tandems. Jedoch, so Heise, scheiterte das letztlich an der Nachfrage. Also hat er sich umorientiert und ist trotzdem seinem Weg treu geblieben. Mit Erfolg.

„Ein Faltrad kann man pro­blemlos auch als Handgepäck im Bus oder der Bahn mitnehmen. Ein Zusatzticket braucht man dafür nicht.“ Roger Heise

Heute verkauft der Wuppertaler immer noch Räder, die es nicht an jeder Ecke zu kaufen gibt, die meisten davon sind inzwischen mit einem leistungsstarken Akku ausgestattet. Aber nicht alle. So gehört Radfinesse zu den wenigen Läden in Deutschland, die die besonders kompakten und stabilen Falträder der britischen Traditions­marke Brompton anbieten. Im Gegensatz zu den üblichen Klapprädern werden die Modelle von Brompton an zwei Stellen des Rahmens eingeklappt. Das macht die Räder für die Fahrt stabiler und kleiner im eingeklappten Zustand. Rund 11 Kilogramm bringt das gezeigte Modell auf die Waage. „Das kann man problemlos auch als Handgepäck im Bus oder der Bahn mitnehmen. Ein Zusatzticket braucht man dafür nicht“, erklärt Heise einen der Vorteile. Beim Aufsitzen auf einem der Brompton-Bikes hat man zunächst das Gefühl, etwas zu hoch zu sitzen. Das liegt an dem großen Abstand zwischen Sattel und Oberrohr. Auch die kleinen 20-Zoll-Räder und der schmale Lenker sind etwas gewöhnungsbedürftig. Trotzdem wirkt das Gefährt auf Anhieb gut kontrollierbar und vertrauenserweckend genug, um damit in der City von A nach B zu fahren.

Roger Heise ist auch Mitveranstalter der Bergischen Velo, die in diesem Jahr bereits zum fünften Mal stattfand. Auch hier liegt der Schwerpunkt mittlerweile auf Rädern mit elektrischer Unterstützung. E-Bikes liegen klar im Trend – gerade in Wuppertal. Für viele Menschen, die sich heute ein neues Bike anschaffen, würde es diese Option der Fortbewegung per Pedale ohne den Elektroantrieb schlicht nicht geben. Das Auf und Ab des Bergischen Landes ist für Gelegenheitsfahrer ohne Unterstützung nur schwer zu meistern. Die Hürde, sich aufs Rad zu schwingen, entsprechend groß. Bezahlbare Pedelecs haben für einen Aufschwung gesorgt. Das Rad ist als Fortbewegungsmittel interessant geworden – und auch als Transportmittel.

Brompton Faltrad Klapprad zusammengeklappt Rosa

Kraftpakete
Leistungsstarke E-Lastenräder würden immer mehr nachgefragt, erklärt Roger Heise. Für manche taugen sie sogar als Autoersatz. Die rund 35 Kilogramm schweren Boliden können eine Gesamtlast von immerhin 100 Kilogramm transportieren. „Zwei Kisten Mineralwasser oder ein Wocheneinkauf lassen sich darin ganz locker unterbringen“, so Heise. Dank Voll­federung gestaltet sich die Fahrt mit dem behäbigen Rad sogar über­raschend komfortabel. Nur die Lenkung, die über zwei Lenkstangen zum Vorderrad vollzogen wird, ist für Anfänger gewöhnungsbedürftig.

Leicht und wendig
Als besonders interessant für kleinere Menschen, die sich auf einem normalen Rad mit 27,5 oder sogar 29 Zoll nicht wohlfühlen, hat Roger Heise ein e-Kompaktrad der Marke i:SY im Angebot. Mit seinen 20 Zoll großen Rädern und der 14-Gang-Nabenschaltung sei es ideal für die Fortbewegung in der City geeignet, sagt der Fahrrad­experte. Noch eine Besonderheit zeichnet das i:SY aus: Anstatt mit einer Kette wird das Kompaktrad mit einem Zahnriemen aus Carbonfasern angetrieben. In den letzten Jahren hat diese Antriebsart an Popularität gewonnen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Ein Riemenantrieb hat eine deutlich längere Lebensdauer als ein Kettenantrieb. Er ist praktisch wartungsfrei und funktioniert komplett ohne Schmierung, Ketten müssen hingegen regelmäßig geölt werden. Zahnriemen sind außerdem leichter und während der Fahrt extrem leise.

Das skurrilste Gefährt, mit dem es Roger Heise je zu tun hatte, war ein Bauchliegefahrrad. Die ungewöhnliche Konstruktion war eine Sonderanfertigung nach Kundenwunsch. „Das war schon abenteuerlich, damit zu fahren“, erinnert sich der Ladeninhaber, der jedes Rad vor der Auslieferung probefährt. Für das Historische Museum hat Heise vor einigen Jahren ein altes Hochrad repariert und fahrfertig gemacht, auch das sei eine Herausforderung gewesen. Schon das Aufsteigen habe viel Überwindung und Geschick gefordert. Da haben es heutige Fahrradneulinge deutlich einfacher.

Text: Marc Freudenhammer