Kultur: Stadtteilentwicklung: BOB Campus
Die neue Mitte
In Oberbarmen entsteht ein multifunktionaler Ort für die Menschen aus dem Quartier. Das jüngst mit dem polis award ausgezeichnete Projekt soll berufliche Entwicklung, urbane Produktion und Gemeinschaft fördern.
2023 ernten die Menschen aus dem Nachbarschaftspark eigens angebautes Obst, Gemüse und Honig von den heimischen Bienen, verkaufen alles auf dem regionalen Bauernmarkt. Die Bewohner des Krühbusch-Wohnhofs öffnen an einem Wochenende ihre Türen, bitten sich gegenseitig herein, tauschen sich aus. Schüler schnuppern in den Arbeitsalltag von Unternehmen, die sich in der Fabrik niedergelassen haben. In der ebendort beheimateten „Viertelsküche“ gibt es gesundes Kinderfrühstück, Food-Sharing. Nebenan: eine Jam-Session.
Leben für verlassenen Standort
Diese Visionen sind einige der Antreiber für die Beteiligten und Unterstützer des Projekts BOB Campus, das dem Gelände und den Gebäuden der ehemaligen Bünger-Textilfabrik zwischen Wichlinghauser Straße und Max-Planck-Straße neues Leben einhauchen wird. Im Juli trugen die Macher ihre Zukunftswünsche gemeinschaftlich in Workshops zusammen. Es war der letzte Tag der offenen Tür dieser Art, denn schon ab Herbst wird gebaut. 2021 soll alles fertig und der Industriestandort mit mehr als 150-jähriger Textilgeschichte eine neue Stätte sein: der Bildung und Qualifizierung, der Arbeit und urbanen Produktion, des Wohnens und der Gemeinschaft, der Nachbarschaft und Teilhabe.
rund 8 Millionen Euro
fließen in Planung und Bauentwicklung.
Das vor der Umnutzung stehende Areal umfasst neben der dreistöckigen Haupthalle der ehemaligen August-Bünger-Fabrik und dem umliegenden Brachgelände zwei Shedhallen auf 1000 Quadratmetern sowie zwei gründerzeitliche Arbeiter-Wohnhäuser. Das Vorbereiten der sehr großen Fläche für mehrere Nutzungsarten sowie die anspruchsvollen Proportionen der Haupthalle seien Besonderheiten des Bauprojekts, schildert Architektin Gesine Schütt von den beauftragten Kölner „raumwerk.architekten“. Der mögliche Strahlungseffekt des künftigen BOB Campus sei nicht zu unterschätzen, sagt Sven Macdonald, Geschäftsführer der Wuppertaler Quartierentwicklungsgesellschaft, der das Projekt zu Beginn in Form einer Quartierstudie begleitete: „Der Campus kann einen ähnlichen Impuls setzen wie Utopiastadt für den Standort Mirke in Elberfeld, und durchaus eine neue Mitte darstellen.“
1 Million Euro
fließen über rund fünf Jahre in Projekt- und Quartiersarbeit.
Für eine aktive Gemeinschaft
Die Planung sieht einen Teil der ersten Etage und des Erdgeschosses der Haupthalle als Fachräume für Textilgestaltung, Kunst und Technik vor. Nutzerin ist die gegenüber der Fabrik ansässige Max-Planck-Realschule. Ins Erdgeschoss zieht zudem eine dreigruppige Kindertagesstätte des CVJM Oberbarmen. Das erste Untergeschoss und die Shedhallen werden zu Gewerbeflächen unter anderem für junge Unternehmen und Start-ups, die mit der Schule hinsichtlich Berufsorientierung kooperieren sollen, etwa mittels Praktika. Das zweite Fabrik-
Untergeschoss wird das Campus-
Herzstück: Dort schaffen den Plänen zufolge die 1000 Quadratmeter Fläche flexiblen Raum für gemeinnützige und nachbarschaftliche Aktivitäten, zum Treffen, zum Austausch. Platz zum Wohnen, barrierefrei und zum Teil öffentlich gefördert, bieten die beiden Häuser im sogenannten Krühbusch-Hof südlich der Max-Plank-Straße. Ein Nachbarschaftspark entsteht auf der 4500 Quadratmeter großen Fläche zwischen den alten Fabrikgebäuden und der Nordbahntrasse. In Kooperation mit der Stadt Wuppertal plant die gemeinnützige Projektgesellschaft Urbane Nachbarschaft BOB eine Anbindung an den Freizeitweg, zudem Verweil- und Veranstaltungsflächen sowie Terrassen für Urban Gardening.
Nachhaltige Gestaltung
Jede Fläche spiegele mit ihrer individuellen Funktion ein Stück Leben im Stadtteil, schildert Robert Ambrée von der Urbanen Nachbarschaft BOB, die für das Projekt den diesjährigen polis award erhielt. Der Ansatz, wirtschaftliche Investition mit partizipativer Quartiersentwicklung zu verbinden, unterscheide sich essenziell von üblichen wirtschaftlichen Investitionen im urbanen Raum, heißt es auf der Award-Website. Übergeordnetes Ziel ist laut Ambrée eine soziale Rendite, mit der laufende Projekte im Stadtteil unterstützt werden können. Dauerhaft erwirtschaftete finanzielle Überschüsse aus Vermietung von Wohn- und Gewerbeflächen sollen in den Stadtteil zurückfließen. Dadurch erhoffen sich die Macher, dass sich die heterogenen Communities aus dem Quartier möglichst nachhaltig aktiv in die Gestaltung und Nutzung einbringen. Johanna Debik, Geschäftsführerin der Urbanen Nachbarschaft BOB, formuliert die Wünsche so: „Großer Austausch, eine Gemeinschaft, die den Stadtteil stärkt, sodass Chancen entstehen, Menschen in Arbeit kommen, sich qualifizieren und bilden.“
Text: Tonia Sorrentino