Energie: Wohnraumsanierung
Die Architekten von mc² haben ein um 1890 erbautes Haus in der Schusterstraße komplett auf Energieeffizienz getrimmt. Mit allen verfügbaren Mitteln, aber immer mit Blick auf die Kosten. Das Ergebnis ist hochwertiger Wohnraum, der allen modernen Ansprüchen genügt – und richtig gut aussieht.
Architekten setzen die Wünsche des Bauherrn um. Was aber entsteht, wenn ein Architekt selbst zum Bauherrn wird, weil er einmal seine eigenen Vorstellungen von Nachhaltigkeit und Stil umsetzten möchte? Im Falle von Matthias Gebhardt und Cordula Stöttner von mc²-Architekten ein ebenso energieeffizientes wie modernes Wohngebäude. In der Schusterstraße 50 setzte mc² alles um, was sie schon immer einmal realisieren wollten und schufen für die Lage untypisch hochwertigen Wohnraum. Weil die Architekten dabei streng auf die Kosten achteten, ist das Haus ein gutes Praxisbeispiel für Wohnraumsanierung in Wuppertal.
Haus mit Geschichte
Es ist ein typisches Wuppertaler Haus. In der Gründerzeit um 1890 erbaut überlebte es den Krieg trotz direktem Bombentreffer. Im Zuge der zweckmäßigen Nachkriegssanierung wurden alle Stuckelemente der Fassade entfernt. Die hohen Decken im Innern blieben erhalten. Die zwei Vorbesitzer verwalteten die Immobilie mehr, als dass sie sie pflegten. So konnte mc² das Gebäude ohne Denkmalschutz, jedoch mit immensem Investitionsstau erwerben.
Das Haus besaß acht Wohnungen, aus denen sechs werden sollten. Im ersten und zweiten Geschoss sah der Plan eine Zusammenlegung vor. Die Architekten agierten als Aufteiler – vier Einheiten wollten sie zur Refinanzierung verkaufen und nur die kleinen Erdgeschosswohnungen behalten. Für energetisch sanierte Wohnungen ist der Markt groß. Aber würde sich ein Käufer für den reduzierten Baustil finden? „Diesen Stil in dieser Lage zu realisieren ist schon eine Pioniertat“, so der Bauherr. „Wir wollten zeigen, dass man auch mit angemessenem Budget stilvoll sanieren kann.“
Erfolgsfaktor Kommunikation
Ein leerstehendes Gebäude ist immer am einfachsten zu sanieren. Darum kümmerten sich Gebhardt und Stöttner schon in der Planungsphase. Der Rentner aus dem Dachgeschoss fand mit Gebhardts Hilfe sein neues Zuhause im nahegelegenen Seniorenheim. Zu Beginn der Bauarbeiten war das Haus komplett leer. Die technische Ausrüstung sollte neusten energetischen Standards entsprechen. Als Gradmesser zwischen ökologisch erforderlich und wirtschaftlich sinnvoll war der KfW100-Standard eine gute Orientierung.
Darin beschreibt die Kreditanstalt für Wiederaufbau ihre Bedingungen für die Förderung von Effizienzhäusern. Fassadendämmung, Fenster mit Dreifachverglasung und eine Dämmung für das Dach sind selbstverständlich. Nicht gefordert, aber von mc² verbaut, ist die Fußbodenheizung. Sie erfordert eine geringere Temperatur des Heizwassers, da die Wärme gleichmäßiger über eine größere Fläche abgegeben wird. Gleichzeitig sorgt sie für einen sehr guten Schallschutz – in Altbauten ein wichtiges Verkaufsargument.
Die Luft geht, die Wärme bleibt
Das Wasser für die Heizung bereitet eine zentrale Gasbrennwerttherme neuester Generation auf. Im Bereich der Heizungserneuerung und Integration erneuerbarer Energien können die Wuppertaler Stadtwerke wertvolle Unterstützung bei Planung und Finanzierung sowohl für Privatleute als auch für die Wohnungswirtschaft geben. Auch Fördermöglichkeiten durch den WSW Klimafonds wurden berücksichtigt.
Durch die energetische Sanierung sind alle Wohnungen hochdicht. Daher besitzt jede Wohnung eine eigenes kontrolliertes Lüftungssystem mit Wärmetauscher, der etwa 80 Prozent der Energie aus der Abluft zurückgewinnt. Eine Maßnahme die sich rechnet.
Auch optisch kann das Projekt punkten. Die Experten von mc² setzten eine klare Architektursprache um, die den Wohnraum wertiger und zeitloser macht. Der Anbau von Balkonen auf der Rückseite war für modernen Wohnkomfort Pflicht. Um die einmalige Aussicht vom Ölberg auf das Briller Viertel auch von innen genießen zu können, waren Gebhardt auch große Fensterflächen wichtig. Diese ließen sich nur mit Aluminiumrahmen realisieren. Die raumhohen Balkontüren lassen sich vollständig auffalten und verbinden so Innen und Außen. Die Wohnungstüren reichen als stilprägende Elemente alle bis zur Decke. Doch es ist keine moderne sterile Wohnwelt entstanden. „Wir wollten auch die Geschichte des Hauses sicht- und erlebbar lassen“, erklärt Matthias Gebhardt. So nehmen im sorgfältig restaurierten Treppenhaus die schwarzen Brandflecken des Kriegsschadens mit jeder Etage zu.
Heute wohnen in der Schusterstraße 50 ganz normale Leute. Es ist ein hochwertiger Wohnraum entstanden, der durch seine Klarheit lange modern wirken wird. mc² verbindet als Architekt und Bauherr ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele miteinander und zeigt damit beispielhaft, wie der Sanierungsstau in Wuppertals Wohnimmobilien von einer Schwäche in eine Stärke verwandelt werden kann.
Text: Chris Höher