Freizeit: Retro-Hi-Fi
Eine kleine Gruppe Enthusiasten sammelt und repariert alte Hi-Fi-Geräte. Rainer Kruse und Axel Schochinger geraten angesichts von Plattenspielern und Lautsprechern ins Schwärmen.
Große Lautsprecher aus Kirschholz, Schallplattenspieler mit Hebeln und Drehknöpfen und dicke gläserne Röhren drängen sich zwischen Kartons voller Langspielplatten. Rainer Kruse kümmert sich in seinem Lädchen „Hifi-Retro“ um gebrauchte Musikanlagen. „Die Analogtechnik war Mitte der achtziger Jahre auf einem absoluten Höhepunkt. Diesen Klang kann keine CD liefern“, schwärmt auch Axel Schochinger. Die beiden Wuppertaler gehören zu einem kleinen Kreis von Enthusiasten, denen der Erhalt alter Hi-Fi-Geräte am Herzen liegt. Bei jedem der herumstehenden Exemplare fangen die Technikbegeisterten sofort an zu erzählen, fachsimpeln über Details. „Hier, der ist aus den vierziger Jahren – als man noch nicht viel Leistung hatte, aber große Räume beschallen musste, in Kinos und so“, stellt Kruse einen riesigen Lautsprecher vor.
„Die Leute wollen heute die Sachen, die sie früher im Schaufenster gesehen haben und sich nicht leisten konnten.“ Rainer Kruse
Drei Gruppen interessieren sich für Retro-Hi-Fi: Sammler, Liebhaber und Musikenthusiasten. „Es gibt auch Leute, die das als Geldanlage ansehen“, erzählt Kruse. Vor allem hochwertige und gut erhaltene Anlagen von Marken wie Macintosh, Accuphase oder Sony Esprit seien gefragt. „Die Leute wollen heute die Sachen, die sie früher im Schaufenster gesehen haben und sich nicht leisten konnten.“ Im Vergleich zu Topmarken moderner Hersteller sind heute manche alten Stücke relativ günstig. „Damals gab es eine große Selbstbauszene – dadurch konnten auch Leute mit wenig Geld eine gute Musikqualität hören“, sagt Kruse. „Heute ist das ein Hobby für Reiche.“
Qualitativ seien gerade die Geräte aus den achtziger Jahren sehr hochwertig, sind sich die beiden Spezialisten einig. Sie tauschen oft Widerstände, Transistoren oder Lampen bei den betagten Schätzchen aus, um sie wieder zum Leben zu erwecken. „Wenn man das mit Leidenschaft, Liebe und Sachverstand macht, kann man eine hohe Qualität erreichen“, sagt Kruse. Allerdings erlebe er sehr oft, dass die Besitzer erst einmal mit Allround-Klebstoff und Baumarktzubehör versucht haben, ihre Anlage zu reparieren. Das führt dann zu Rauschen und muffigem Sound. „Man braucht schon die Originalbauteile oder technisch analoge, um die Qualität zu erhalten“, findet Kruse. Er hat ein breites Netzwerk an Hi-Fi-Liebhabern, die beraten und helfen. Je nach Problem zieht er Tonbandfreaks, alte Lautsprecherentwickler oder frühere Verkäufer hinzu. „Wichtig ist eine gute Beratung, ob sich eine Reparatur überhaupt lohnt.“ Denn nicht jedes Fundstück vom Dachboden gehörte schon in seiner Anfangszeit zu den High-End-Geräten.
Verlässliche Technik
Axel Schochinger hat sich auf Lautsprecher spezialisiert und betont, wie wichtig gute Membranen und Sicken (der Ring um die Membran) seien, um den perfekten Klang zu erzielen. Deshalb sind die beiden auch an nicht mehr funktionsfähigen Geräten interessiert – sie können diese dann noch für Ersatzteile ausschlachten. Überhaupt: Der Vorteil dieser alten Geräte sei die Möglichkeit, Teile auszutauschen: „Moderne Schaltungen muss man oft wegwerfen, wenn sie kaputt sind“, so Schochinger.
Musikliebhaber ziehen Schallplatten wegen des besseren Klangs oft den CDs vor. „Man kann ein Originalerlebnis nicht eins zu eins einfangen – aber eine gut erhaltene LP zu hören ist ein Genuss“, lobt Schochinger. Dafür ist er gerne bereit, mit Pinsel und Plattenspielernadel zu hantieren und seine Tonträger mit größter Sorgfalt zu behandeln. „Die CD klingt mir irgendwie zu steril, zu synthetisch.“ Zudem gebe es etliche berühmte Aufnahmen mit großen Pianisten, Geigern und Dirigenten aus den fünfziger und sechziger Jahren nur auf Schallplatte. Für solche seltenen Stücke ist Schochinger bereit, Geld zu investieren – „aber sie müssen sehr gut erhalten sein, auch das Cover“.
Der analoge Klang
Bei Musikliebhabern – insbesondere älteren Klassik-Hörern – setzt sich derzeit die Liebe zur Langspielplatte durch. Während in den neunziger Jahren viele deutsche Hi-Fi-Hersteller vor der japanischen Konkurrenz kapitulieren mussten, beginnen kleine Firmen jetzt wieder mit der Produktion von Plattenspielern. Tonabnehmer werden neu entwickelt und teure Digital-Analog-Wandler auf den Markt gebracht. Auch alte Aufnahmen werden neu auf Vinyl gepresst. Kruse hat sogar noch eine kleine Sammlung von Schellackplatten: „in audiophilem Gedenken“, sagt er und erinnert an die Revolution, als die Menschen erstmals Orchestermusik im Wohnzimmer hören konnten. Kruses Traum wäre ein Hi-Fi-Museum, „mit Nierentisch, Musiktruhe, Werkstatt und Café dabei“. Sein Lädchen wirkt schon heute wie eine Erinnerung an vergangene Musikzeiten. Ob aber die jungen Menschen, die mit CD aufgewachsen sind, das zu würdigen wissen?